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28.06.2023
Ursachen von Lagerschäden und wie Sie eine unsachgemäße Nutzung erkennen
Als technischer Fachhändler kennen Sie sicherlich folgende Situation: Ihr Kunde reklamiert ein kaputtes Lager mit der Überzeugung, dass es sich um einen Produktionsfehler des Herstellers handeln müsse. Doch tatsächlich ist dies nur in den seltensten Fällen die Ursache. Fast immer ist es so, dass Anwendungsfehler für beschädigte Lager verantwortlich sind. Wir geben Ihnen mit dem folgenden Artikel eine Übersicht an die Hand, mit der Sie erkennen können, auf welche möglichen Ursachen Schäden am Wälzlager zurückzuführen sind.
Die Beispielbilder dienen dazu, die entsprechenden Schäden mit den Ihnen vorliegenden Lagern zu vergleichen. Detaillierte Fehler- und Ausfallanalysen werden Ihnen auf Anfrage auch vom jeweiligen Hersteller zur Verfügung gestellt.
Wie bei allen mechanischen Komponenten ist auch bei Wälzlagern eine technisch korrekte Montage sowie eine gewissenhafte Instandhaltung/Pflege für eine lange Lebensdauer des Wälzlagers essenziell. Andernfalls können Schäden entstehen, die beispielsweise Leistungseinbußen, Ausfallzeiten und erhöhte Instandhaltungskosten verursachen. Die Gründe für vorzeitige Lagerausfälle sind vielfältig und können auf mehrere Ursachen zurückzuführen sein. Manche Schadensursachen sind auch unmittelbar miteinander verknüpft und resultieren als Folge eines vorangegangenen Fehlers.
Doch zunächst einmal ist es hilfreich zu kategorisieren: Beschädigte Wälzlager können entweder vorzeitig oder nach der berechneten Lebensdauer ausfallen. Da es sich um verschleißanfällige Komponenten handelt, ist eine Materialermüdung ab einem gewissen Zeitpunkt unvermeidbar und tritt natürlicherweise auf. Bei intensiver Belastung passiert dies nach einer kürzeren Einsatzzeit als bei mäßigen Belastungen. Hier spielt neben dem Zeitfaktor also auch der Belastungsfaktor eine entscheidende Rolle. Wurde die genormte Lebensdauer überschritten, ist es an der Zeit Lager oder Maschine/Anwendung auszutauschen.
Anders ist es bei vorzeitigen Lagerausfällen. Diese sind, wie eingangs bereits erwähnt, auf Nutzerfehler zurückzuführen und in aller Regel vermeidbar. Statistisch gesehen werden sogar 99% aller frühzeitigen Wälzlagerausfälle durch Montage- oder Instandhaltungsfehler verursacht. (Quelle: Schaeffler)
Mögliche Gründe dafür sind:
1. Handling- und Montagefehler
Eine unsachgemäße Montage der Wälzlager kann weitreichende Folgen für die Anwendung haben. Daher ist essenziell wichtig, die Anweisungen des Herstellers genau zu befolgen und geeignete Werkzeuge und Techniken für die Montage der Lager zu verwenden. Wenn das Lager nicht ordnungsgemäß ausgerichtet oder mit dem richtigen Anzugsmoment montiert wird, führt dies mitunter zu erhöhter Belastung, Vibrationen und vorzeitigem Versagen. Außerdem ist es möglich, dass durch einen unsachgemäßen Einbau physische Verformungen wie Eindrücke, Risse oder Brüche am Lager entstehen. Äußere Warnsignale sind unter anderem, dass die Anwendung eine höhere Temperaturentwicklung hat und/oder geräuschvoller arbeitet als gewöhnlich.
2. Verunreinigung
Wenn Verunreinigungen wie Staub, Schmutz, Metallspäne, Flüssigkeit oder andere Partikel in das Wälzlager gelangen, können diese den Schmierfilm durchbrechen, die Oberflächen beschädigen, zu Korrosion führen und den abrasiven Verschleiß beschleunigen. Abrasiver Verschleiß tritt auf, wenn harte Partikel über eine Oberfläche reiben. Dadurch trägt sich das Material auf der Laufbahnoberfläche nach und nach ab, sodass das Lager nicht mehr einwandfrei arbeiten kann und schlussendlich ausfällt. Sie erkennen eine Verunreinigung zum Beispiel durch Fremdkörper im Lager und/oder durch (unregelmäßige) Eindrücke, Verformungen oder Korrosion an der Laufbahn. Eine saubere Umgebung sowie der Einsatz von Dichtungen oder Abdeckungen tragen dazu bei, Verunreinigungen zu minimieren und das Risiko von Schäden zu reduzieren.
3. (Übermäßige) Belastung
Jede Lagertype hat eine maximale Belastungsgrenze, die der jeweilige Hersteller im Produktkatalog angibt. Wird die Grenze überschritten, kommt es häufig zu Verschleiß, Rissen, Materialausbrüchen, -ermüdungen oder -verformungen. Eine übermäßige Belastung kann auch durch falsch ausgerichtete Last oder unzureichende/falsche Schmierung entstehen – mitunter kann auch eine Kombination aus beidem zu einem vorzeitigen Ausfall des Lagers führen. Eine regelmäßige Überprüfung der Belastungsgrenzen und die Einhaltung der Herstellervorgaben sind Voraussetzung, um Folgeschäden zu vermeiden.
4. Vibrationen
Vibrationen und Stoßbelastungen werden beispielsweise durch eine fehlerhafte Maschinenausrichtung, unsachgemäße Installation oder eine Unwucht der Anwendung verursacht und können ebenfalls einen erhöhten Verschleiß am Wälzlager oder eine Beschädigung der umliegenden Komponenten begünstigen. Eine regelmäßige Überprüfung der Maschinenausrichtung, die Verwendung von vibrationsdämpfenden Elementen und die Reduzierung von Stoßbelastungen helfen, das Risiko von Wälzlagerschäden durch Vibrationen zu minimieren.
5. Schmierung
Die Schmierung beeinflusst die Lebensdauer von Wälzlagern signifikant. Unzureichende, übermäßige oder unregelmäßige Schmierung sowie die Verwendung falscher Schmierstoffe führen zu erhöhter Reibung und Überhitzung und in der Konsequenz schließlich zu einem vorzeitigen Lagerausfall. Außerdem wird adhäsiver Verschleiß begünstigt, was bedeutet, dass sich Material von einer zur anderen Oberfläche überträgt. Das kann passieren, wenn der Schmierfilm so gering ist, dass er während des Betriebs (zum Beispiel bei hoher Drehzahl) abreißt und die metallischen Oberflächen sich gegenseitig „abreiben“. Dies fördert wiederum die Entstehung von Rissen oder Brüchen innerhalb des Lagers.
Außerdem dürfen keine unterschiedlichen Schmierstoffe miteinander vermischt werden, da diese möglicherweise aus unterschiedlichen chemischen Zusammensetzungen bestehen, die miteinander reagieren. Das kann die Leistung des Lagers mindern und im schlimmsten Fall Schäden an den Bauteilen verursachen. Darum empfehlen die meisten Hersteller die Verwendung bestimmter Schmierstoffe, die speziell auf ihre Produkte abgestimmt sind. Wird diesen Empfehlungen nicht Folge geleistet und Schmierstoffe miteinander vermischt oder in nicht empfohlenen Temperaturbereichen eingesetzt, verfällt möglicherweise der Garantieanspruch. Daher ist es besonders wichtig, vorgegebene Schmierintervalle einzuhalten, die empfohlenen Schmierstoffe zu verwenden und sicherzustellen, dass das Schmiersystem ordnungsgemäß funktioniert.
6. Korrosion
Korrosionsschäden können mehrere Auslöser haben, Feuchtigkeit ist jedoch immer involviert. Bei der Korrosion kommt es zu einer chemischen Reaktion zwischen einer metallischen Oberfläche und dem Sauerstoff in der Luft oder der oxidierenden Substanz wie Wasser, Dampf, Säure etc. Dadurch entsteht Rost auf dem Stahl. Rost besteht hauptsächlich aus Eisenoxid, welches sich bildet, wenn Eisen mit Sauerstoff und Wasser reagiert. Ausgelöst wird sie oft durch eine falsche Lagerung oder den Einsatz an zu feuchten Orten, eine mangelhafte Abdichtung oder Verpackung des Lagers oder aufgrund eines unzureichenden Korrosionsschutzmittels.
Auch ein Handling ohne entsprechenden Handschutz kann zur Korrosion des Lagers führen, da der Ölschutzfilm des Lagers durch den ungeschützten Kontakt durchbrochen werden kann. Dieses erkennt man beispielsweise durch Fingerabdrücke auf dem Außenring. Daher wird dringend dazu geraten, beim Umgang mit Wälzlagern Arbeitshandschuhe zu tragen.
Tritt Passungsrost, also eine sogenannte „Reibkorrosion“ im Lager auf, liegt diesem eine Kombination aus Feuchtigkeit, Korrosion und Reibung zugrunde. Wie der Name bereits verrät, tritt Passungsrost nur an den Passungsflächen der Wälzlager auf. Wälzlager sind darauf ausgerichtet, durch ihre Bewegungen mögliche Reibungen zu minimieren.
Sind jedoch „Störfaktoren“ wie Feuchtigkeit und Korrosion vorhanden, führt dies in der Regel sogar zu erhöhter Reibung. Diese erzeugt wiederum Wärme, die mögliche Korrosionsprozesse noch beschleunigen kann.
„Stillstandsmarkierungen“ oder „Riffelbildungen“ entstehen in den Wälzkontakten von Lagern. Verursacher sind in dem Fall Mikrobewegungen in Folge von Vibrationen. Dadurch können sich Vertiefungen auf den Laufflächen bilden und der Schmierfilm aus dem Kontaktbereich verdrängt werden. Durch die fehlende Schmierung wird der Bereich angreifbar für Schwingungskorrosion.
7. Stromdurchgang
Neben der „klassischen“ Korrosion gibt es beispielsweise auch die „Elektrokorrosion“, auch „Elektroerosion“ genannt. Sie entsteht durch schädigende elektrische Ströme, die beispielsweise in Anwendungen wie Elektromotoren und Stromgeneratoren vorhanden sind. Beim Stromfluss durch das Lager kommt es zu einer konzentrierten elektrischen Entladung. Durch die entstandene Wärmeentwicklung bilden sich kleine Krater auf dem Lager und das Material wird abgetragen. Vermieden werden kann eine solche Elektroerosion durch entsprechende Isolierungen, zum Beispiel durch Keramikbeschichtungen am Außen- oder Innenring oder durch Wälzkörper aus Keramik. Diese „unterbrechen“ die Leitfähigkeit des Metalls und machen damit den Stromfluss für das Lager unschädlich.
Fazit: Durch ordnungsgemäße Montage, regelmäßige Inspektionen, angemessene Schmierung, sowie die Minimierung von Verunreinigungen, Vibrationen und Stoßbelastungen können Lagerschäden in vielen Fällen vermieden werden. Ist es doch einmal zum Schaden gekommen, gibt es eine Reihe von Merkmalen, die auf eine zugehörige Ursache schließen lassen. Mitunter ist auch eine Verkettung mehrerer Ursachen für den Ausfall verantwortlich. Technische Experten sind in jedem Fall in der Lage, den Schaden zu identifizieren und die Ursachen herauszufinden. Für eine erste Schadenseinschätzung im Falle einer Kundenreklamation sind Sie gut gewappnet, wenn Sie sich an den oben genannten Punkten orientieren.