know-how
26.08.2024
Hygienisch und sicher: Wälzlager für die Lebensmittelindustrie
In der Lebensmittel- und Getränkeindustrie spielen die Zuverlässigkeit und Hygiene von Maschinenkomponenten eine entscheidende Rolle. Wälzlager, die in diesem sensiblen Bereich zum Einsatz kommen, müssen speziellen Anforderungen gerecht werden, um die strengen Hygienestandards und Sicherheitsvorschriften zu erfüllen. Dabei gehen die Schutzmaßnahmen in beide Richtungen: Es muss sichergestellt werden, dass die Lager so konzipiert sind, dass sie durch die Lebensmittelverarbeitung und anschließende Reinigung mit Hochdruck, Dampf und Chemikalien nicht beschädigt werden, und gleichzeitig muss verhindert werden, dass die Maschinenbaukomponenten die Lebensmittel durch Fett, Rost oder Schmutz kontaminieren.
Wie die Hersteller diese besonderen Anforderungen bei der Weiterentwicklung ihrer Wälzlager berücksichtigen und welche Techniken dabei zum Einsatz kommen, erläutern wir in diesem Artikel. Außerdem erklären wir die unterschiedlichen Bezeichnungen und Produkteigenschaften der Hersteller.
Anforderungen an Wälzlager für die Lebensmittelindustrie
Je nach Einsatzgebiet müssen die Lager auf verschiedene Umgebungen angepasst werden. Wälzlagerhersteller bieten daher verschiedene Ausführungen und Optionen bei ihren Artikeln an. Die Komponenten müssen unter Umständen permanent nassen oder feuchten Umgebungen, hohem Druck, sehr heißen oder kalten Temperaturen oder ätzenden Flüssigkeiten standhalten. Daher ist es notwendig, dass die Lager folgende Kriterien erfüllen:
- Korrosionsbeständige Werkstoffe: Für den Einsatz in feuchten Umgebungen ist es besonders wichtig, dass die Lager aus korrosionsbeständigem Material hergestellt werden, um Rostbildung zu vermeiden. Hierzu zählen beispielsweise Edelstahl (wie AISI 440C oder AISI 316) und Kunststoff.
- Lebensmittelechte Schmierstoffe: Die verwendeten Schmierstoffe müssen mindestens für den gelegentlichen Kontakt mit Nahrungsmitteln zugelassen sein. NSF H1-zertifizierte Schmierstoffe erfüllen diese Anforderungen. Zudem sind sie so formuliert, dass sie geschmacksneutral und ungiftig sind. Wenn das Lager häufiger mit Lebensmitteln in Kontakt kommen könnte, ist es ratsam, einen Schmierstoff mit noch höherer Lebensmittelsicherheit zu wählen. Diese Schmierstoffe sind unter der Bezeichnung NSF H3 klassifiziert. NSF steht für National Sanitation Foundation. Einige Lebensmittelhersteller legen außerdem Wert auf Zertifizierungen wie „Koscher“ oder „Halal“, die bestätigen, dass die verwendeten Materialien und Schmierstoffe bestimmten religiösen Standards entsprechen. Diese Siegel bedeuten, dass die Lager nicht mit Fetten oder Schmierstoffen tierischen Ursprungs geschmiert wurden, sondern mit lebensmittelechten und allergenfreien Schmierstoffen, die entweder pflanzlichen oder synthetischen Ursprungs sind.
- Abdichtung: Um zu verhindern, dass Schmierstoffe austreten oder Verunreinigungen in das Lager gelangen, werden häufig vollständig abgedichtete Lager verwendet. Die verwendeten Dichtungen müssen temperaturstabil und chemisch beständig sein, um aggressiven Reinigungsmitteln standhalten zu können und aus lebensmittelverträglichen Materialien bestehen. Hier erfahren Sie mehr zum Thema Dichtungen.
- Reinigungsfreundliche Konstruktion: Die Lager sollten so konzipiert sein, dass sie leicht zu reinigen sind und hohen Druck, beispielsweise durch Hochdruckreiniger, aushalten können. Außerdem müssen sie widerstandsfähig gegenüber Reinigungs- und Desinfektionsmittel sein. Vollständig abgedichtete Lager erleichtern den Reinigungsaufwand.
- Temperaturbeständigkeit: Je nachdem, ob das Lager in sehr heißen Umgebungen wie einem Industrieofen oder sehr kalten Umgebungen wie einem Kühlraum eingesetzt werden soll, ist unbedingt darauf zu achten, ein Lager zu wählen, das für die jeweilige Einsatztemperatur geeignet ist. Temperaturbeständige Materialien und Schmierstoffe sind hierbei entscheidend.
Lebensmittelgeeignete Artikel im PICARD-Sortiment
Unser Sortiment umfasst eine umfangreiche Auswahl an Artikeln, die speziell für die Lebensmittelindustrie geeignet sind. Dazu gehören:
- Rillenkugellager (offen, abgedeckt oder abgedichtet) von FAG und SKF
- Kugelbuchsen von INA und Bosch Rexroth
- Spannlager, Gehäuse(-einheiten) und Deckel von FAG, SKF, SNR und ZEN
Herstellerspezifische Besonderheiten
Die Artikelbezeichnungen variieren je nach Hersteller und Produktkategorie. Geeignete Kugelbuchsen für die Lebensmittelindustrie erkennen Sie bei Bosch Rexroth beispielsweise am Suffix „NR“ und bei INA (Schaeffler) am Suffix „RROC“.
Weitere wichtige Bezeichnungen finden Sie im Folgenden:
Rillenkugellager
Spannlager, Gehäuse(-einheiten) und Deckel
Die Produkteigenschaften von Spannlagern, Gehäuse(-einheiten) und Deckeln werden je nach Hersteller mittels unterschiedlicher Vor- und Nachsetzzeichen gekennzeichnet:
- Schaeffler (FAG): Das Suffix „TV“ bezeichnet Kunststoffgehäuse, während „VA“ auf Lager aus Edelstahl hinweist. Der Zusatz „FD“ ist wichtig für die Lebensmittelindustrie, da er zeigt, dass das Lager mit lebensmittelverträglichem Fett geschmiert wurde.
- SKF: Die „Food-Line“ bietet speziell für die Lebensmittelindustrie entwickelte Lager. In der Bezeichnung gibt der erste Teil die Bauform an, gefolgt vom Gehäusematerial: „C“ steht für einen lebensmittelgeeigneten Verbundwerkstoff, „SS“ für rostfreien Stahl. Bei Spannlagern signalisiert das Suffix „SS“ ebenfalls Edelstahlkomponenten, während „ZM“ für verzinkte Innen- und Außenringe, Gewindestifte aus rostfreiem Stahl sowie Dichtungen und Flansche mit Edelstahleinsätzen steht. Zudem besitzen die Dichtungen lebensmittelverträgliche Gummilippen sowie ebensolches Schmiermittel. „DFH“ („Designed for hygiene“) kennzeichnet eine vollständig abgedichtete Gehäuseeinheit mit Deckel.
- ZEN: Die Gehäuse bestehen entweder aus Kunststoff („T“ für Thermoplastik) oder Edelstahl („S“), was jeweils im Präfix der Bezeichnung angegeben wird. Die Art der Schmierung wird im Suffix angegeben, und lebensmittelgeeignete Lager tragen die Nachsetzzeichen „FDA“ oder „GA351“.
- SNR: Alle SNR-Lager aus korrosionsbeständigem Edelstahl sind automatisch lebensmittelecht, ohne dass eine spezielle Kennzeichnung des Schmiermittels erforderlich ist. Das Präfix „S“ zeigt an, dass das Gehäuse aus Edelstahl gefertigt ist. Laut Hersteller sind die Spannlager mit der Bezeichnung „SUC“ für Edelstahlgehäuse vorgesehen. Die Information, ob der gewählte SNR-Artikel auch für die Lebensmittelindustrie geeignet ist, finden Sie auch in den Produkteigenschaften in unserem Onlineshop.
Wälzlager mit Festschmierstoff – eine Innovation in der Lebensmitteltechnik?
Hersteller wie SKF, Schaeffler (FAG) und NTN bieten Wälzlager mit einem speziellen, nahrungsmittelverträglichen Polymer-Schmieröl an: SKF verwendet dafür den Namen „Solid-Oil“ (W64F), FAG „LubTect“ (LT), NTN „Solid Lub“ (LP09) und SNR „LubSolid“ (LSA). Diese festen Schmierstoffe bieten den Vorteil, dass die Lager durch die Vollschmierung nicht nachgefettet werden müssen, was den Wartungsaufwand reduziert und die Lebensdauer verlängert. Allerdings ist dies momentan noch eine recht kostspielige Angelegenheit und die Verfügbarkeit oftmals stark eingeschränkt. Daher ist diese Art von Lager noch wenig erschwinglich und bei weitem kein Standard. Dennoch könnte diese Technologie zukünftig bedeutende Innovationen in der Lebensmittelindustrie mit sich bringen.